Benedikt XVI – requiescat in pacem

Begruessung von Papst Benedikt XVI. durch Bundespräsident Christian Wulff und Frau Bettina Wulff vor dem Schloss Bellevue in Berlin.

Ersteller und Urheberrecht: Wolf-Dietrich Krause 
Besuch von Benedikt XVI in Schloss Bellevue, Berlin 2011

„Annuntio vobis gaudium magnum; habemus Papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Josephum Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger qui sibi nomen imposuit Benedictum XVI“

Kardinal Estévez, 19.04.2005

Coat of arms von Benedikt XVI
Wappen von Benedikt XVI

„Ich verkünde euch eine große Freude: Wir haben einen Papst!“ Mit diesen traditionellen Worten wurde im Jahr 2005 Kardinal Ratzinger als Nachfolger von Johannes Paul II vorgestellt.

Benedikt XVI wurde am 16. April 1927 als Joseph Aloisius Ratzinger im bayerischen Marktl geboren und ist am 31. Dezember 2022 im Vatikan als emeritierter Papst gestorben.

Um einen gebürtigen, soeben verstorbenen Deutschen aus Sicht der Ahnenforschung zu betrachten muss man sich beinahe augenblicklich mit den Sperrfristen für deutsche Kirchenbücher befassen.

Welche Quellen können wir einsehen?

Wie auch bei seinem „Amtskollegen“ Alexander van der Bellen (auch wenn ihre Amtszeiten als Staatsoberhäupter sich nicht überschnitten haben) stellt sich die Frage, welche Dokumente man als nicht zur Familie gehöriger Dritter einsehen kann und wie weit zurück diese Unterlagen geschützt sind.

Ratzingers Geburt als Deutscher Staatsbürger ist dabei durchaus relevant, gelten doch in Deutschland ähnliche, aber teils noch komplexere Regeln als in Österreich.

Grundsätzlich wird die Registrierung von Geburten, Heiraten, Sterbefällen in Deutschland wie in Österreich durch ein Personenstandsgesetz geregelt. Auch dieses schränkt den Zugang zu den Informationen auf Betroffene bzw. deren Familienangehörige ein und es kennt Sperrfristen, ab denen die Informationen auch Nicht-Betroffenen zugänglich werden. Eine gute Zusammenfassung dazu bietet GenWiki.

Nach §5(5) PStG werden die Personenstandsregister während der folgenden Fristen bei Standesämtern fortgeführt, d. h. es erfolgen noch Eintragungen:

  • Eheregister (und Lebenspartnerschaftsregister) 80 Jahre
  • Geburtenregister 110 Jahre
  • Sterberegister 30 Jahre
GenWiki – Personenstandsgesetz 2009

Danach werden die Informationen der Standesämter an Archive übergeben und sind grundsätzlich nutzbar. Soweit die Rechtslage zur staatlichen Verwaltung der Standesinformationen.

Joseph Ratzingers Eltern

Mit diesen Rahmenbedingungen ist klar, dass wir in Deutschland staatliche Informationen weder zu Joseph Ratzinger noch zu seinen Geschwistern Maria Ratzinger (* 7. Dezember 1921; † 2. November 1991) und Georg Ratzinger (* 15. Januar 1924; † 1. Juli 2020) einsehen werden können.

Die Zugänglichkeit von staatlichen Archiven ist allerdings oft ohnedies überschaubar und so sind die Kirchenbücher in der Ahnenforschung eine überaus häufig genutzt Quelle. Viele dieser Matriken sind online verfügbar, in Süddeutschland im Gebiet des Bistums Passau z.B. auf Matricula Online, oder im Digitalen Archiv des Bistums München und Freising.

Allerdings nur innerhalb der Sperrfristen, die sich die Glaubensgemeinschaften selbst auferlegen. Evangelische und katholische Kirche haben in Deutschland dafür eigene Kirchenarchivordnungen, die den Zugriff für die Ahnenforschung teils noch weiter einschränken, als die gesetzlichen Vorgaben dies erfordern würden.

So muss die Recherche nach genealogisch interessantem Material bei den Eltern von Benedikt XVI beginnen. Aufgrund der Prominenz und Beliebtheit in seinem Heimatland finden sich auch etliche Kurzbiografien, die auch Namen und Geburtsdaten der Eltern beinhalten.

Mit diesen Informationen lassen sich im Internet bereits ganze Stammbäume finden – allerdings zumeist beschränkt auf Geburts- und Sterbedaten, ohne Nennung von Quellen und häufig auch unter Weglassung der Mädchennamen bei Frauen. Wir werden darauf noch zu sprechen kommen.

Die Suche nach den Geburtsorten und dem Ort der Trauung seiner Eltern sowie entsprechenden Quellen gestaltete sich dann schon etwas schwieriger, da in den in Marktl verfügbaren Büchern kein Hinweis auf die Familie von Joseph Ratzing er zu finden war.

Parship um 1920

Den entscheidenden Hinweis auf die erste digitalisierte Quelle, die ich finden konnte, lieferten interessanterweise die Rheinische Post und Focus mit Artikeln, in den darauf verwiesen wird, dass Joseph Ratzinger sen. die Mutter des künftigen Pontifex per Inserat gesucht und gefunden habe.

„Niederer Staatsbeamter, ledig, kath. 43 J., pensionsberechtigt, wünscht sich mit gut kath. Mädchen, das kochen u. auch etwas nähen kann, mit Aussteuer u. etwas Vermögen, baldigst zu verehelichen“, lautete der Anzeigentext, den die „Bild am Sonntag“ zitiert.

FOCUS online – Mittwoch, 13.11.2013, 00:09

Der Anzeigentext, den offenbar Bild am Sonntag ursprünglich veröffentlicht hatte, unterscheidet sich in beiden Medien interessanterweise leicht (siehe Links) – beiden gemein ist der Hinweis auf die erfolgreiche Heirat am 09.11.1920 in Pleiskirchen bei Altötting. Und sie da – hier werden wir fündig!

Pfarre Pleiskirchen - Traungsbuch 013-01 - p.211
Pfarre Pleiskirchen - Traungsbuch 013-01 - p.211
Pfarre Pleiskirchen – Trauungsbuch 13 – p.211

Der Eintrag im Trauungsbuch für Joseph Ratzingers Eltern verrät uns einiges:

  • Gemeldet hatte sich auf die Anzeige des Gendarmerie-Wachtmeisters (so sein Berufsstand) ganz offensichtlich eine Köchin, was seiner Spezifikation wohl sehr gut entsprochen hatte.
  • Wir finden darin die jeweiligen Geburts-Pfarren, die uns zu den Taufbuch-Einträgen von Benedikts Eltern führen. Dies ist besonders wichtig, weil sie in beiden Fällen unterschiedlich zum jeweiligen Wohnort und von diesen auch deutlich entfernt waren.
    • Maria Peintner wohnte in Rimsting am Chiemsee, war aber gebürtig in Oberaudorf nahe der österreichischen Grenze bei Kufstein.
    • Joseph Ratzingers Wohnort ist mit Klebing, einem Ortsteil von Pleiskirchen angegeben. Er stammte allerdings aus dem beinahe 80 km entfernten Rickering in der Gemeinde Winzer (bzw. der Pfarre Schwanenkirchen) bei Passau.
  • Und nicht zuletzt lernen wir, dass die Mutter seiner Heiligkeit die ledige (und damit nach röm.kath. Verständnis „illegitime“) Tochter einer Maria Peintner war. Die katholische Kirche ist hier wohl dem Vater seiner Heiligkeit zu Dank verpflichtet, dass dieser darin kein Hindernis sah.

Der Ehe entsprangen vor Joseph noch zwei Kinder: Maria Ratzinger, die später ihrem ersten Bruder (Georg) und zeitweise auch Joseph als Kardinal den Haushalt führen sollte und Georg Ratzinger, dem späteren Domkapellmeister am Regensburger Dom und Leiter der Regensburger Domspatzen.

Bauern in Bayern

Die Ratzingers in Bayern pflegten namentliche Kontinuität. Des Papstes Großvater war der erste von drei aufeinanderfolgenden Ratzingers mit dem Namen Joseph.

Bereits im Taufbuch des Vaters des späteren Kirchenoberhauptes wird im Jahr 1877 dessen Vater als „Rusticus“ (also Bauer) bezeichnet und auch alle weitere Vorfahren bis zu Vitus RAZINGER (1730 – verm. 1785), dem letzten Vorfahren der Familie, zu dem ich belegbare Dokumente finden konnte, werden als in den Urkunden als Bauern geführt.

Ab der Trauung des ersten Johann Georg RAZINGER im Jahre 1801 findet sich die Familie in Rickering in der Pfarre Schwanenkirchen, südöstlich von Deggendorf nördlich der Donau gelegen.

Die Generationen davor siedelten etwas näher an Passau liegend. Sie kamen aus Thalham in der Gemeinde Tiefenbach.

Österreichisch-Deutsche Verbindung mütterlicherseits

Der selige Heinz Prüller – die österreichische Motorsport-Kommentatoren-Legende, die zu jedem noch so exotischen Rennfahrer einen Bezug zu Österreich beisteuern konnte – wäre vermutlich hoch erfreut, denn auch beim verblichenen Papst gibt es einen veritablen Österreich-Bezug.

Ratzingers Großmutter Maria PEINTNER stammte aus Südtirol, damals noch zu Österreich gehörig, aus dem Dorf Natz-Schabs in der Nähe von Brixen. Eineinhalb Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Maria im Jahre 1885 heiratete sie in Absam in Tirol den Bayern Isidor RIEGER. Nachdem das Kind nicht im Taufbuch-Eintrag legitimiert wurde, wie es sonst häufig der Fall war (z.B. wenn eine Heirat mit dem angehenden Papa nicht mehr rechtzeitig stattfinden konnte), dürfen wir vermutlich davon ausgehen, dass er nicht der leibliche Vater war.

Pfarre Absam - Trauungsbuch 10 - p.72
Pfarre Absam – Trauungsbuch 10 – p.72

Eine Vorgehensweise, mit dir ihr wohl nicht ungeläufig war. Denn auch ihre Eltern (Anton PEINTNER, * 18.05.1818, +11.01.1877) und Elisabeth TAUBER (* 09.12.1832, + 24.05.1904) heirateten im Jahre 1858 (noch rechtzeitig vor der Geburt des zweiten Kindes) erst drei Jahre nach ihrer Geburt (1855).

Genealogische Verschwörungstheorien

Auf den gängigen Genealogieportalen wie ancestry.com, geni.com oder familysearch.org gibt es viele öffentlich einsehbare Stammbäume, darunter auch viele sehr interessante von Prominenten (siehe meinen Beitrag zu Queen Elizabeth II). Wenig überraschender Weise bin ich nicht der Erste, der die Familiengeschichte prominenter Personen untersucht.

Doch wie eingangs schon erwähnt sind die meisten davon eben undokumentierte Abfolge von Namen mit Geburts- und Sterbedaten, oft noch mit den zugehörigen Orten versehen. Daher ist durchaus Vorsicht angebracht bei der Verwendung solcher Stammbäume. Manchmal mag der Wunsch, einen Bezug aus der eigenen Familie zu Prominenten oder Adeligen Vorfahren zu finden der Ursprung von Fehlern sein, manchmal wohl auch schlicht das Grundübel des Internets: das unreflektierte Kopieren.

So findet sich dann auf einer der größten dieser Plattformen (ancestry.com) auch eine skurrile Ahnenlinie von Benedikt XVI, die auf den ersten Blick sehr glaubwürdig den emeritierten Papst mit jüdischen Vorfahren verbindet.

Stammbaum von Joseph Ratzinger auf ancestry.de
Auszug eines Stammbaumes von Joseph Alois RATZINGER auf ancestry.de

Doch bei „Papa Ratzi’s“ Uroma wird mit ein bisschen Nachforschung die Diskrepanz sofort erkennbar.

Die behauptete Elizabeth Betty Tauber hieß in Wirklichkeit Elisabeth Maria TAUBER und wurde nicht 1834 in Hranice/Mähren sondern am 09.12.1832 in Natz/Südtirol geboren. Ihr Vater hieß tatsächlich Jakob – allerdings hatte er nichts mit einem Jakob „Pesach“ Tauber zu tun. Dies kann man bereits ihrem Trauungsbuch-Eintrag (mit Anton Peintner) entnehmen.

Pfarre Mühlbach im Pustertal - Trauungsbuch III - p.81
Pfarre Mühlbach im Pustertal – Trauungsbuch III – p.81

Auch ihr Taufbuch-Eintrag belegt, dass sie eine Tochter von Jakob Tauber und Maria Niedermayr war. Keine Spur der vermeintlichen Josefa Knopfelmacher.

Pfarre Natz - Taufbuch III - p.3
Pfarre Natz – Taufbuch III – p.3

Dieses Thema wurde im Übrigen bereits im Jahr 2012 sehr umfangreich und mit dem behaupteten Hintergrund einer „philosemitischen Konstruktion“ von einer katholischen Blog-Seite (die ich nach erstem Querlesen mehrere Beiträge selbst eher für ein ultra-konservatives Kampfmagazin mit Hang zu Verschwörungstheorien halten würde) aufgegriffen und dokumentiert. Ich konnte die dort als „der wahre Stammbaum des Papstes“ behauptet Ahnenlinie noch nicht gänzlich nachvollziehen – glaubwürdiger als die proklamierte jüdische Abstammung ist sie aber allemal.

So sind z.B. die drei Trauungen des Jakob Tauber, die auf der Seite erwähnt werden, lückenlos im Trauungsbuch III der Pfarre Natz nachvollziehbar – die letzte davon am 05.03.1828 mit Maria NIEDERMAYR, der Mutter von Elisabeth Maria TAUBER.

Pfarre Natz – Trauungsbuch III – p.25

Es bestätigt sich also wieder einmal, dass im Umgang mit frei zugänglichem Content im Internet eine gewisse Vorsicht geboten ist. Die Möglichkeit, einer Fehlinformation aufzusitzen ist einfach gegeben und die Gründe dafür können von simplen Fehlern bis zu gezielter Manipulation reichen.

Das soll aber natürlich nicht die großartige Arbeit viele Menschen schmälern, die umfangreiche Stammbäume auf den im Internet angebotenen Plattformen zugänglich machen.

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1 Kommentar zu „Benedikt XVI – requiescat in pacem“

  1. Heribert Sorger

    Es ist immer ein Vergnügen, die Beiträge zu prominenten Persönlichkeiten zu lesen, weil wirklich sehr ernsthaft und ausführlich recherchiert wird.
    An diesem Artikel gefällt mir vor allem, dass auf seriöses Quellenstudium hingewiesen wird und dass Quellen genauestens zitiert gehören.

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