Die zweite Wiener medizinische Schule

Beginn der Reformen – Erste Wiener medizinische Schule

Erste entscheidende Reformen auf dem Gebiet der Medizin initiierte Erzherzogin Maria-Theresia bereits ab dem Jahr 1745. Sie berief den Niederländer Gerard van Swieten als Leibarzt an ihren Hof, der 1754 eine neue Klinik ins Leben rief. Namhafte Mediziner wie Leopold Auenbrugger, Anton Freiherr von Störck und Maximilian Stoll wirkten an dieser Klinik.

Joseph II. gründete im Jahr 1784 das erste Wiener Allgemeine Krankenhaus, das unter der Leitung von Johann Peter Frank der medizinischen Forschung neuen Auftrieb geben sollte. Kliniken für Ophtalmologie und Geburtshilfe wurden an der Universität Wien gegründet und ein Wandel hin zu naturwissenschaftlichen Methoden setzte ein. Diese Zeit wird gerne die erste Wiener medizinische Schule genannt.

Ebenfalls im Jahr 1784 wurde von Joseph II. das Wiener Josephinum als k.k. medizinisch-chirurgische Josephs-Academie ins Leben gerufen. Es sollte der Ausbildung von Militärärzten dienen.

Zu diesem Zweck ließ Joseph II. unglaubliche 1192 Wachsmodelle in Italien anfertigen, die von einzelnen Muskelpartien bis hin zu Ganzkörperdarstellungen höchst präzise den Aufbau des menschlichen Körpers vermittelten. Sechs Jahre wurde an den unglaublich fein ausgearbeiteten Modellen gearbeitet.

Im Sinne der Aufklärung waren die Wachsmodelle auch der Öffentlich zugänglich – auch heute sind sie im Rahmen einer Dauerausstellung z.T. in ihren originalen Vitrinen aus Rosenholz zu besichtigen.

Josephinum - Fotografie eines Wachsmodelles Darstellung des Lymphsystems im Kopfbereich

Zweite Wiener medizinische Schule

Im 19. Jahrhundert setzte sich der Paradigmenwechsel hin zu einer naturwissenschaftlich begründeten Medizin fort. An die Stelle des bis in die Antike zurückgehenden Erklärungsmodells1), das Krankheiten auf falsche Zusammensetzung oder Mischung von Körpersäften zurückführte, traten modernere Krankheitskonzepte.

Wien bildete dabei – neben Berlin, wo Rudolf Virchow an der Charité die Zellularpathologie begründete – ein Zentrum des medizinischen Fortschrittes in Europa. Als Begründer der zweiten Wiener medizinischen Schule gelten dabei Carl von Rokitansky, Josef von Škoda und Ferdinand von Hebra.

Carl von Rokitansky

In Wien prägte Carl von Rokitansky die Einführung einer wissenschaftlich begründeten Diagnostik, obwohl er anfänglich mit seiner Krasenlehre eine Weiterentwicklung der Humoralpathologie propagierte.

Carl Joseph Wenzel Prokop Rokitansky wurde 1804 als Sohn eines Kreiskanzlisten in Königgrätz (Hradec Králové) geboren.

Taufbuch Königgrätz (sig. 51-13) – 1804 – p.249
Carl von Rokitansky
Lithografie von Joseph Kriehuber – 1839

Königgrätz (Hradec Kralove) wurde von Joseph II, ähnlich dem nördlich von Prag gelegenen Theresienstadt (Terezín), um 1780 zur Festung erklärt. Bereits zuvor wurden umfangreiche Festungsbauten begonnen. Zur Zeit von Rokitanskys Geburt war die Besiedelung der heute 93.000 Einwohner zählenden Stadt im Wesentlichen noch auf den Bereich innerhalb der Festungsmauern konzentriert, die (wie in anderen Städten) gegen Ende des 19. Jahrhundert geschliffen wurden.

Die Familie stammte aus dem 40 km entfernt gelegenen Gitschin (Jičín). Seine Eltern, Prokop Joseph Rokitansky und Gattin Theresia Anna mussten den Wohnort immer wieder den Dienstorten des k.&k. Beamten anpassen.

Auch die Mutter, stammte aus einer Beamtenfamilie. Wikipedia und das Wien Geschichte Wiki weisen ihren Namen als eine geborene „Lodgman von Auen“ aus, Tochter des Kreiskommisärs Wenzel Lodgman Ritter von Auen.

Ihr Familienname taucht allerdings in den Kirchenbüchern häufig als „Logdmann“ auf – Bei der Trauung von Prokop & Theresia genauso wie bei der Geburts späteren Mediziners. Auch im Taufbuch der Mutter finde ich „Logdmann“. So halte ich es für möglich, dass „Lodgmann“ ein Schreibfehler ist, der sich durchgesetzt hat. Hier wäre wohl noch ein wenig Forschung nötig um Klarheit zu erlangen.

Die jüngste Tochter der Rokitanskys wurde 1812 in Leitmeritz geboren, wo der Vater – im Rank eines k.&k. Kreiskommissärs – im Jahr darauf verstarb, als Karl erst 9 Jahre alt war. Die Mutter schaffte es dennoch, dass Karl das Gymnasium in Königgrätz besuchen und schließlich in Prag studieren konnte. 2)

1824 wechselte er nach Wien – und dort sollte nach der Promotion 1828 ein stetiger Aufstieg im Umfeld der pathologischen Anatomie beginnen.

Ab 1830 war er Assistent an der Pathologisch-Anatomischen Prosektur. 1832 supplierender außerordentlicher Professor, wurde er ab 1834 außerordentlicher Professor der pathologischen Anatomie an der Universität Wien und Kustos des Pathologisch-Anatomischen Museums. 1844 ordentlicher Professor, erhielt er in Wien das erste Ordinariat für pathologische Anatomie im deutschsprachigen Raum. 1849/50, 1856/57, 1859/60, und 1862/63 Dekan der Medizinischen Fakultät, wurde er 1852/53 erster frei gewählter Rektor der Universität Wien. 3)

In Königgrätz, also der Heimat Carl Rokitanskys, wurde 1866 in einer blutigen Schlacht der Preußisch-Österreichische Krieg zu Gunsten Preußens entschieden – Rokitansky leitete zu diesem Zeitpunkt (nachdem er 1844 bereits das Ordinariat für pathologische Anatomie erhalten hatte) schon seit mehr als 10 Jahren als erster frei gewählter Rektor die Universität Wien und amtierte als Präsident der  Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Darüber hinaus wurde er als Liberaler zum Medizinalreferenten im Innenministerium bestellt, wo er Einfluss auf die Universitätsorganisation nehmen konnte und die Inhalte des Medizinstudiums in Richtung interdisziplinärer Ansätze zu gestalten versuchte. Vielleicht waren es nicht nur seine medizinischen Meriten sondern auch diese Verdienste in der k.&k. Administration, die den Kaiser bewogen, ihn im Jahr 1867 auf Lebzeiten ins Herrenhaus des Reichsrats zu berufen und 1874, vier Jahre vor seinem Ableben, auch in den Freiherrenstand zu erheben.

Rokitansky hatte mit Maria Anna Weiss eine international erfolgreiche Konzertsängerin und Schülerin Salieris geheiratet, die für die Familie allerdings ihre Karriere aufgab. Die vier Kinder, die das Erwachsenenalter erlebten, sollten sich schließlich als Hofopernsänger, Konzertsänger sowie Ordinarii für innere Medizin und Gynäkologie paritätisch auf die Berufszweige der Eltern verteilen.

Wappen des Mediziners und Politikers Dr. Carl von Rokitansky (1804–1878). Zeichnung von Gerd Hruška (http://ghruska.weebly.com/)

Josef von Škoda

Auch Josef von Škoda stammte aus dem heutigen Tschechien. Er erblickte keine 2 Jahre nach Carl von Rokitansky in Pilsen das Licht der Welt.

Pfarre Pilsen I – Taufbuch 6 – p.400

Während in Königgrätz die Matriken in lateinischer Sprache geführt wurden (und in weiten Teilen Böhmens auf deutsch) finden wir den Eintrag im Pilsener Taufbuch, aber auch die Ehe der Eltern im Jahr 1799, in tschechischer Sprache festgehalten.

Josef von Skoda5)
Pfarre Pilsen I – Trauungsbuch 24 – p.77

Bei der Geburt von Josef ist der Beruf seines Vaters Jan als Zámečník angegeben, also der eines Schlossers. Als Sohn eines Handwerker waren die Ressourcen seiner Familie naturgemäß begrenzt. Dennoch schafften es seine Eltern Jan + Anna, dass er in Wien ein Medizinstudium beginnen konnte, das er 1831 auch (nur 3 Jahre nach Rokitansky) mit seiner Promotion abschließen konnte.


Rokitansky entwickelte sich in dieser Zeit zum führenden Pathologen Wiens. Der Kliniker Josef von Škoda lernte bei ihm und spezialisierte seine physikalischen Untersuchungsmethoden der Perkussion (mit den Händen) und Auskultation (mit dem Stethoskop). Im Wurzbach erfahren wir, welchen Stellenwert Škodas Methodiken im Jahr 1877 bereits für die Diagnostik hatten:

Auf den Werth dieser physikalischen Hilfsmittel (Percussion und Auscultation) hatten schon vor Škoda die Franzosen Laennec und Piorrh aufmersam gemacht, aber S. hat die von beiden gemachten Beobachtungen, als in manchen Fällen theils irrthümlich, theils unvollkommen, berichtigt und wesentlich ergänzt, und die durch oberwähnten Untersuchungen zu ermittelnden Erscheinungen in einer so vollkommenen Weise erklärt, dass seine Lehrsätze in Deutschland fast allgemein als unwandelbar angenommen werden.

Wurzbach, C. – Biografisches Lexikon des Kaisertums Österreich – Fünfundreißigster Teil

Bevor Rokitansky diesen Ruhm erreichen konnte, waren seine Ansichten unter seinen Kollegen aber durchaus umstritten, was zu einer Versetzung an die „Irrenanstalt“ des AKH führte. Im Jahr 1840 konnte er allerdings an die neu gegründete Abteilung für Brustkrankheiten zurückkehren. 1841 wurde er zum Primararzt ernannt und stand neben der Abt. für Brustkranke einer Abt. für interne Krankheiten und für Hautkrankheiten vor. 4) Dort begann unter ihm das Licht eines weiteren Vertreters der zweiten Wiener medizinischen Schule zu strahlen, der sich um die systematische Beschreibung von Hautkrankheiten verdient machte: Ferdinand Hebra.

 

Ferdinand von Hebra

Ferdinand von Hebra wurde am 07.09.1816 in Brünn als uneheliches Kind der Aloysia Schwarzmann geboren. Sein Vater war Johann Hebra, ein k.k. Zivilbeamter im Offiziersrang. 6) Die Mutter lebte von ihrem Mann getrennt, und im Taufbuch wurde der Vater nachträglich geschwärzt und die Eintragung auf „unehelich“ korrigiert.

Brünn – Pfarre Sv. Janu (Minoriten) – Taufbuch 2 – p.892

Etliche Biografien weisen darauf hin, dass es sein Verdienst war, dass die Dermatologie als eigenständige medizinische Fachrichtung existiert:

Es gelang ihm durch eine Reihe von schriftstellerischen Leistungen und wesentlichen Neuerungen das Gebiet der Dermatologie derartig zu erweitern und umzugestalten, daß es durch seinen Einfluß zum Rang einer Specialdisciplin mit einem eigenen Lehrer erhoben wurde. Es wurde für die Hautkranken eine selbständige Abtheilung 1845 gebildet und an die Spitze derselben H. gestellt, seit 1849 als außerordentlicher, seit 1869 als ordentlicher Professor. Diese Stellung behielt H. bis zu seinem Lebensende. […] Es ist sein Verdienst, der Dermatologie, die vor ihm kaum besondere Beachtung und eine wissenschaftliche Bearbeitung nur in vereinzelten Versuchen erfahren hatte, allgemeine Geltung als einer den übrigen Fächern der Medicin durchaus ebenbürtigen Disciplin verschafft zu haben.

Julius Pagel in: „Allgemeine Deutsche Biografie“ (1905)

Die einstmals jungen Wilden erarbeiteten sich Rang und Namen und so wurde auch Josef Skoda im Jahr 1846 der Professoren-Titel verliehen. Im Jahr 1848 wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen, 1856 auch in die Leopoldina, die älteste naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft im deutschsprachigen Raum und die älteste dauerhaft existierende naturforschende Akademie der Welt.

Das schlug sich auch in einem entsprechendem Einkommen nieder und so finden wir Josef Skoda im Jahr 1861 im großartigen Häuserverzeichnis von Anton Ziegler auch als Hausbesitzer an der Konskriptionsnummer 132 in der damaligen „Hauptstraße“ im kaiserlich-königlichen Polizei Bezirk Josephstadt mit den Vorstadt-Gemeinden Alt=Lerchenfeld, Josephstadt, Strozzengrund und Breitenfeld.

Militante Mediziner?

Es mag aus heutiger Sicht wenig überraschend sein, dass Menschen, die sich der Erforschung neuer wissenschaftlichen Methoden widmeten, auch politisch einer „progressiven“ Weltanschauung zuzurechnen waren. Mit dem zunehmenden Wissen über die Ursachen und Ursprünge von Erkrankungen und den Erkenntnissen, wie diese diagnostiziert werden konnten wuchs auch das Engagement der Ärzte in sozialpolitischer Hinsicht, um die Auswüchse der industriekapitalistischen Entwicklungen zu bekämpfen oder zumindest in Grenzen zu halten. In vielen Themen rund um Wohnungs- und Ernährungssituation, Trinkwasserversorgung und Kanalisation engagierte sich akademisches Personal für Verbesserungen.

Viele der besten wissenschaftlichen Köpfe der damaligen Zeit unterstützten als Folge dieses Engagements die revolutionären Bestrebungen. Es war ein selbst-bestimmter und solidarischer Schulterschluss einer bürgerlichen, akademischen und politisch liberalen Bewegung mit der ausgebeuteten Arbeiterschaft, die in den Metropolen des 19. Jahrhunderts rasant anwuchs. Die geistige Elite des Landes forderte Pressefreiheit, Lern- und Lehrfreiheit und verbündete sich mit den unterdrückten Massen in einer Form, die die radikaleren Revolutionen des folgenden Jahrhunderts nie zustande bringen sollten.

  • In Wien lagen an der alten Prosektur die Ursprünge der Märzrevolution von 1848. Die sogenannte „Doktoren-Revolution“ wurde in Rokitanskys Sezierbaracke von 40 Medizinern vorbereitet, da diese zur Zeit des Metternichschen Systems nicht unter Polizeiüberwachung stand 3)
  • Auch Rokitanskys Kritiker Rudolf Virchow stand in Berlin auf der Seite der Revolutionäre. Während der Märzrevolution 1848 kämpfte Virchow auf Seiten der Demokraten und nahm an politischen Kundgebungen für die Demokratie teil. Sein politisches Engagement führte dazu, dass er seine Stelle an der Charité verlor. 7) 8)
    Sein Bericht über eine in Oberschlesien grassierende Typhus-Epidemie (deren Erreger noch nicht bekannt waren) legte klar die Verbindung der sozialen und der medizinischen Dimension offen:
    „Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es die lokalen Verhältnisse der Gesellschaft welche die Form der Erkrankung bestimmen und wir können bis jetzt als ziemlich allgemeines Resultat hinstellen, dass die einfache Form umso häufiger ist, je armseliger und einseitiger die Nahrungsmittel und je schlechter die Wohnungen sind“. 9)
  • Inmitten der Wirren des Revolutionsjahre 1848 überzeugten Ärzte den Kaiser, dass eine Bewaffnung der Studenten als Bürgermiliz ein Ausufern der Gewalt in der Konfrontation mit dem Proletariat verhindern könnte. In der bald darauf als Teil der Nationalgarde gebildeten „Akademischen Legion“ waren die Mediziner die stärkste Gruppierung. Dieser Gruppe gehörten auch Kapazitäten der Medizinischen Fakultät an, wie Carl Rokitansky, Josef Skoda und Ferdinand Hebra. 10) 11)

Nicht nur Ärzte gehörten der akademischen Legion an. Auch ein Technikercorps bildete einen Teil dieses bis zu 6.000 Mann starken Teils der Nationalgarde, die ursprünglich mit kaiserlicher Billigung für Ruhe und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen sollte. Auch der Geograf und Geologe Eduard Suess war Teil dieser Einheit.

Der Kampf gegen Cholera, Typhus und Ruhr

Suess konnte später, im Jahr 1864, auf tatkräftige Unterstützung der Professoren Rokitansky und Škoda zählen, als er gegen teils zähen Widerstand eine der größten Errungenschaften der angehenden Millionenstadt mit ihrem gewaltigen Zustrom an Menschen durchsetzte: Den Bau der Wiener Hochquellwasserleitung, die neben dem Ausbau der Kanalisation den wohl größten Beitrag gegen die früheren Cholera-Epidemien leistete.

Škoda unterstützte vor allem in seiner Funktion als Vorsitzender der k. k. Gesellschaft der Ärzte bei der Auswahl des am besten geeigneten Wasserreservoirs – eine Diskussion, die über Jahre hinweg mit Leidenschaft geführt wurde. Die k. k. Gesellschaft der Ärzte erstellte mehrere Gutachten (vor allem 1862, 1864), in denen die Hochquellen des Schneeberg-Gebietes, allen voran Kaiserbrunnen und Stixenstein, klar als qualitativ und quantitativ beste Optionen benannt wurden. 12)

Nach langem Bemühen wurde die I. Wiener Hochquell-Leitung 1873 eröffnet – und sie verbesserte die Trinkwasserversorgung der Großstadt erheblich, auch wenn sie die letzte (mit Ausnahme des WK I) Cholera-Epidemie nicht verhindern konnte. Der Mediziner Anton Drasche war ab 1867 bis 1877 als Primararzt im sogenannten „städtischen Choleraspital“ – der ersten medizinischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung -tätig 13). In dieser Funktion untersuchte er akribisch die 1873 in Wien ausbrechende Choleraepidemie, um diese zu bekämpfen. Doch wenige Jahre darauf zeichnete sich ab, dass die Kapazität dieser hochqualitativen Wasserversorgung den stetig wachsenden Durst der Großstadt einfach nicht stillen konnte.

Die Diskussionen um die am besten geeigneten Optionen begannen daher erneut, und sie waren nicht weniger zeitraubend und ermüdend als bei der ersten Leitung und wurde mit Leidenschaft geführt. Als erweiterte Komplexität kam hinzu, dass – im Vorfeld ihrer Eingemeindung auch die Wasserversorgung der Wiener Vororte zur Debatte stand. Die Diskussion drehte sich auch dieses Mal um 3 Optionen:

  1. Versorgung durch Hochquellen (aus dem Schneeberg & Raxgebiet)
  2. Versorgung durch Tiefquellen (vor allem der Fischa-Dagnitz aus dem Steinfeld bei Wiener Neustadt)
  3. Versorgung durch Oberflächenwasser (z.B. aus der Donau oder aus dem Wiental)

Aus ärztlicher Sicht war genau dies die Reihenfolge ihrer Präferenzen – und so kam für Skoda und seine Kollegen nur die Option 1 in Frage. Dies gaben sie auch klar zu verstehen – und ihrer Standfestigkeit und dem Einsatz von Eduard Suess ist es wohl zu verdanken, dass Wien heute die vielleicht beste Wasserversorgung einer Millionenstadt hat. 14)


Die Liste der weiteren namhaften Vertreter dieser wissenschaftlichen Blütezeit in der k.&k. Metropole – die bis zum Niedergang durch den ersten Weltkrieg andauerte – ist zu lange, als dass ich all ihren Vorfahren sozusagen auf den Zahn hätte fühlen können. Allein die Nobelpreisträger Karl Landsteiner (Serologe) und der Róbert Bárány (Physiologe) wären hier stellvertretend noch zu nennen.

Es ist spannend zu sehen, dass viele dieser hervorragenden Wissenschaftler nicht nur Beeindruckendes auf ihrem jeweiligen Fachgebiet leisteten, sondern sich teils auch sehr aktiv um gesellschaftlichen, sozialen und humanitären Fortschritt bemühten.

Wie bei vielen meiner Beiträge finden wir auch hier wieder viele familiäre Ursprünge in den Kronländern des ehemaligen Habsburger-Reiches. Es mag daher verlockend sein, diesen Blick auf die Familien und Geschichten der Größen der zweiten Wiener Medizinischen Schule als Beleg für die Vielfältigkeit und die Entwicklungschancen im k.&k. Universum zu deuten. Doch darf man dabei nicht vergessen, dass viele der späteren Prominenten, deren Wurzeln wir in Böhmen, Mähren, Ungarn oder Schlesien finden, zumindest dem Beamtentum oder dem ökonomisch erfolgreichen Bürgertum entsprangen. Die Beispiele, in denen wir soziale Durchlässigkeit „von der Scholle bis in den (erhobenen) Adelsstand“ finden, sind wohl tatsächlich mit den Fingern abzählbar – und der Anpassungsdruck der vielen, die nach Wien kamen um den Aufstieg zu schaffen, muss enorm gewesen sein.


  1. Wikipedia: Humoralpathologie
  2. ÖAW – Österreichisches Biografisches Lexikon: Carl von Rokitansky
  3. Wikipedia: Carl von Rokitansky
  4. ÖAW – Österreichisches Biografisches Lexikon: Ferdinand von Hebra
  5. WikiCommons: Josef von Skoda
  6. Wikipedia: Ferdinand von Hebra
  7. Geschichte Wiki: Rudolf Virchow
  8. Universität Würzburg – Institut für Pathologie: Revolutionär in Berlin – Pathologisches Institut
  9. TATRA, Gerhard: 2020, „Der Wandel der sozialpolitischen Rolle der Wiener Ärzte 1848 – 1914“, Dissertation
  10. TATRA, Gerhard, p.19, ebd.
  11. GeschichteWiki Wien: Akademische Legion
  12. ANNO: Neue Freie Presse – 24.10.1865
  13. Med Uni Wien: Anton Drasche
  14. apa science: Wasser für die Großstadt

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