„Ein Lauda hat auf den Wirtschaftsseiten zu stehen…

…nicht im Sportteil der Zeitung!“

So oder so ähnlich wird Hans Lauda (1896-1974), der Großvater von Niki Lauda, gerne zitiert, der den Rennsportambitionen seines Enkels sehr kritisch gegenüber stand. 1)

Die Laudas – Wiener Industrieadel

Hans Lauda

Die Familie Lauda hielt seinem Anspruch schon seit mindestens zwei Generationen stand. Hans Lauda selbst hatte sich nach dem Besuch des Theresianums und seinem Studium in Wien bei den Veitscher Magnesitwerken zu einem Parade-Exemplar eines Industriellen entwickelt. 2)

Den ersten Weltkrieg hatte er, undekoriert aber doch, als Leutnant der Reserve bei der Reitenden Feldartilleriedivision 3 überlebt. 3) Mit dem Adelsaufhebungsgesetz verlor auch die Familie Lauda das Recht, ihren Adelstitel zu tragen und so wurde zwar standesgemäß aber ohne Titel geheiratet. Mit Emilie Magdalena, geb. von Wisoko-Meytsky, ehelichte er die Tochter eines Sektionschefs und Generaldirektors des Kunsthistorischen Museums. 4)

Pfarre Wien St. Augustin - Trauungsbuch 20 - p.8
Pfarre Wien St. Augustin – Trauungsbuch 20 – p.8

Das Trauungsbuch informiert uns auch bestens über die spätere Scheidung und erneute Trauung im Jahr 1954. Man sieht an diesem Beispiel schön, mit welcher Genauigkeit die kirchlichen Aufzeichnungen häufig auch nach dem Ende der staatlichen Verpflichtung zur Standesführung gepflegt wurden.

Ab 1925 war er bereits leitender Angestellter bei der Österreichisch-Amerikanischen Magnesit AG Radenthein, bis er zum 1937 zum Generaldirektor der Veitscher Magnesitwerke bestellt wurde. Im Nachkriegs-Österreich entwickelte er sich als Sprecher der Österreichischen Industrie sowie Gründer und langjähriger Präsident der Industriellenvereinigung zum Wirtschaftspolitiker. 5)

Ernst Philipp Johann Lauda

Hans Vater, Ernst Philipp Johann Lauda, war vielleicht kein klassischer Industrieller, doch der Wasser- und Brückenbauer machte im technischen Staatsdienst eine respektable Karriere.

Er wirkte an mehreren bemerkenswerten Stahlbau-Brücken-Konstruktionen mit, wie z.B. der 1895 fertiggestellten Mauterner Stahlfachwerk-Brücke oder der Ponta Santa Giustina im Val di Non. Die Leitung des Hydrografischen Zentralbüros, der Aufbau des hydrografischen Dienstes und der Aufbau des österreichischen Wasserkraftkatasters qualifizierten ihn schließlich Sektionschef. 1909 wurde er zum Leiter der Wasserbausektion des Ministerium für öffentliche Arbeiten ernannt. 6)

Seine Karriere gipfelte in der Verleihung des erblichen Ritterstandes. Für seine Verdienste besonders um die Wiener Donauregulierung wurde Lauda am 28. Mai 1916 von Kaiser Franz Joseph I. in den österreichischen Ritterstand erhoben, 7)
eine Nobilitierung, die seine Familie allerdings im Jahr 1919 wieder verlor.

Ernst Philipp Johann Lauda wurde 1859 als Sohn von Adolf Vinzenz Lauda und Caroline Bogler in Linz geboren. Die Geburten seiner Kinder Maria-Anna, Ernst Adolf, Adolf Hans sowie Hans Lauda finden sich allerdings in den Taufbüchern der Pfarre Wien Fünfhaus.

Im heutigen fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk findet man den aufstrebenden Beamten im „Ministerium für Inneres“ (noch deutlich vor seinem Ritterschlag) wohnhaft in der Felberstraße 20 in direkter Nähe zu böhmischen Handwerkern (wie dem Tischler Rudolf Skoček), wie man am Taufbucheintrag des zweiten Sohnes, Adolf Hans Lauda, sehen kann.

Auch seine Karriere lässt sich durch die Ahnenforschung in gewissem Ausmaß in diesen Matriken nachvollziehen. Während er bei der Geburt der Tochter Maria Anna (17.01.1891) und dem späteren Medizinier Ernst Adolf Thomas (16.11.1892) noch als „Oberingenieur“ geführt wird, trägt er bei den Geburten von Adolf Hans und Hans bereits den Titel eines „Oberbauraths“.

Pfarre Wien Fünfhaus - Taufbuch 19 - p.138
Pfarre Wien Fünfhaus – Taufbuch 19 – p.138

Der Arbeitsplatz als Ort des Kennenlernens und der Anbahnung von Beziehungen und Ehen war zu Ernst Philipps Zeit noch in keinster Form Usus, doch dieser Rolle kam wohl in gewissem Maße der Profession der Eltern zu.

Pfarre Wien Wieden (Paulaner) - Trauungsbuch 21 - p.17
Pfarre Wien Wieden (Paulaner) – Trauungsbuch 21 – p.17

Das Trauungsbuch weist seinen Vater, Adolf Vinzenz Lauda, bei seiner Hochzeit mit Maria Kargl im Jahr 1890 als Ingenieur-Assistent I. Classe der Kaiserin Elisabeth Westbahn sowie den Schwiegervater, Johann Kargl, als Beamten der Kronprinz Rudolf Bahn aus.

Eisenbahnen – Vorreiter der Industrialisierung

Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Verbreitung von schienengebundenen Transport-Systemen – hauptsächlich zur Beförderung von Lasten im Bergbau – stark zu genommen und die Schienentechnik wurde weiter entwickelt. Dieser Fortschritt führt um die Wende zum 19. Jahrhundert zum Aufkommen erster Pferdebahnen, die dem Personentransport dienten, wie z.B. der Pferdeeisenbahn Budweis–Linz.

Pferde als Antriebskraft wurden im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung bald hinterfragt und die ersten dampfbetriebenen Antriebe tauchten auf. Doch es erst die bahnbrechenden Fortschritte des Ingenieurs George Stephenson sollten England zur führenden Nation in der Entwicklung der Eisenbahn machen. 1825 wurde die „Stockton and Darlington Railway“ in Betrieb genommen – deutlich vor allen Eisenbahnlinien auf dem Kontinent. Vom englischen Vorsprung sollten die USA noch vor dem Rest von Europa profitieren. Die erste Bahnstrecke im Habsburgerreich wurde schließlich die  Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, die 1839 bis Brünn errichtet wurde. 8)

Die Kaiserin Elisabeth Westbahn wurde im Zuge eines Staatsvertrages 1851 zwischen Bayern und Österreich beschlossen. Die Konzession wurde 1854 vergeben und im August 1860 wurde – nach feierlicher Eröffnung durch die Regenten beider Länder – der Betrieb aufgenommen. Josef Strauss Sohn komponierte dafür sogar eine eigene Polka („Gruss an München, op.90“) 9)

Sechs Jahre später wurde die Konzession für die Kronprinz Rudolph-Bahn, als Anschlussbahn zur Westbahn vergeben. Ihr Streckennetz sollte sich von St. Valentin über die Steiermark bis nach Villach erstrecken.

Adolf Vinzenz Lauda

Der Vater des späteren Ritters Ernst Philipp, Adolf Vinzenz Lauda, war 1830 in Leitmeritz in Böhmen geboren worden. Über seine Ausbildung und den Beginn seiner Karriere konnte ich bislang noch keine Unterlagen finden.

Pfarre Maria Anzbach- Trauungsbuch 6 - p.154
Pfarre Maria Anzbach- Trauungsbuch 6 – p.154

Der Ingenieurs-Assistent hatte im Jahr 1856 in Maria Anzbach die Tochter eines Tischlermeisters aus Wien Neubau geheiratet. Sein Wohnort ist im Trauungsbuch mit Maria Anzbach angegeben, seine Frau Karolina (geb. Bogler) wohnte im angrenzenden Hofstatt.

Ob die Wahl dieses Wohnortes beruflich bedingt war ist unbekannt, doch Adolf Lauda dürfte im Laufe seiner Karriere mehrfach seinen Aufenthalt den beruflichen Notwendigkeiten angepasst haben. In Maria Anzbach (bzw. im benachbarten Haag) kam das erste Kind, Adolph Thomas Josef, zur Welt. Die nächsten beiden, Ernst Philipp (1859) und Karolina Anna (1861) in Linz.

Im Lauf der nächsten 10 Jahr muss sich der Dienstort wieder nach Wien verlagert haben, wird doch im Jahr 1872 eine Beförderung in der Deutschen Zeitung publiziert aus der wir schließen können, dass er zuvor die Stelle eines Stations-Vorstandes am Westbahnhof inne hatte.

[Personal-Nachrichten.] Anstatt des zum Betriebs=Director der Lemberg-Czernowitzer Bahn ernannten Ober-Ingenieurs Herrn Adolf Lauda wurde der Sections-Ingenieur Herr Wessely von Wels zum Stations=Vorstande am Westbahnhofe in Wien berufen.

Deutsche Zeitung, Nr. 317, 17.11.1872, S.12

Das Salzburger Volksblatt („Organ des Fortschrittes für alle Stände“) vermeldet schließlich in seiner Ausgabe vom 08.01.1874 das Avancement von Adolf Lauda zum Betriebs-Direktor der Kaiserin Elisabeth Westbahn.

Wohnhaft dürfte er zu dieser Zeit bereits in Leitmeritz/Litomerice in Böhmen gewesen sein, denn der „Leitmeritzer Anpflanzungsverein“ konnte im Jahr 1875 im Leitmeritzer Wochenblatt den Beitritt des „Verkehrs-Directors der k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn“ vermelden.

Salzburger Volksblatt, 08.01.1874

Thomas Josef Lauda

Mit Adolf Lauda begann die Linie der Industriellen in dieser Familie. Mit freundlicher und kompetenter Unterstützung im Forum von Ahnenforschung.net konnte ich in sehr kurzer Zeit auch frühere Vorfahren der Familie Lauda finden.

Adolfs Vater Thomas Josef Lauda war Kreis-Chirurg in Leitmeritz. Der Kreiswundarzt im Elbogener Kreis hatte im Jahr 1823 im zweiten Wiener Bezirk Anna Braun, Tochter eines ungarischen Wundarztes, geheiratet.

Man findet zu dieser Familie nicht nur die Geburt von 7 Kindern in den Jahren 1830 – 1839 in Leitmeritz, sondern bereits 4 weitere Geburten in Elbogen (tschech. Loket).

Thomas Lauda, „Med. Doctor, Operateur, gewesener k. k. Kreiswundarzt und Hausbesitzer hier“ verstarb am 06.08.1855 an „Durchfall laut Totenbeschauzettel Nr. 112“.

Thomas Josef Lauda war der erste Mediziner in der Familie (er sollte aber nicht der letzte bleiben). Sein Vater Thomas Lauda war Schneidermeister im dritten Wiener Bezirk.

Neben den Generationen von Hans Laudas Eltern hatte die Familie Lauda mit seinem Bruder Ernst Adolf, einem hoch angesehenen Mediziner und ihm selbst, einem mächtigen Industriemagnaten, zwei Vertreter seiner eigenen Generation, die seinem Anspruch gerecht wurden. Auch in den folgenden Generationen sollte das Naheverhältnis der Familie zur Industrie erhalten bleiben.

Niki Laudas Vater Ernst-Peter Lauda hielt als Prokurist und späterer Generaldirektor der Neusiedler Papierwerke dem strengen Urteil des Industrie-Kapitäns wohl ebenfalls stand und es darf angenommen werden, dass die Karriere seines Bruder, Dr. Heinz Lauda, der später gleichfalls Vorstandsdirektor bei den Veitscher Magnesitwerken werden sollte, ebenfalls sein Wohlwollen fand.

Niki selbst hatte allerdings mit der Industrie nichts am Hut und so war sein Verhältnis zum gestrengen Großvater war bereits in jungen Jahren angespannt. Am Beginn seiner Rennfahrerkarriere führten die heftigen Konflikte zum finalen Bruchs, als Hans Lauda den ersten Werbevertrag des Enkels torpedierte.

Den ersten Grand-Prix Sieg im April 1974 und die folgenden Titel sollte er nicht mehr erleben. (10)

Ist es ein Ironie des Schicksals oder hat sich das familiäre Erbgut des „Wiener Industrieades“ letztlich doch durchgesetzt? Die Tatsache, dass Niki Lauda als Pilot und Airline-Gründer ab 1979 für fast 40 Jahre eine prägende Rolle in Österreichs Luftfahrt-Industrie spielen sollte, hätte seinen Großvater wohl mit Sicherheit erfreut.


(1) Niki Lauda: Alles unter einer Kappe | Thomas Mudri, Heike Kossdorf, Daniel Winkler | ISBN: 9783222132667
(2) Hans Lauda – Wien Geschichte Wiki
(3) Militär-Schematismus des Österreichischen Kaiserreiches, Ausgabe 1917, p.1016
(4) Karl Wisoko-Meytsky
(5) Hans Lauda – Wien Geschichte Wiki, ebd.
(6) E. Offenthaler, Österreichisches Biographisches Lexikon ab 1815
(7) Ernst Lauda (Techniker) – Wikipedia
(8)  Geschichte der Eisenbahn – Wikipedia
(9) Kaiserin Elisabeth-Bahn – Wikipedia
(10) siehe (1), S. 16

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