„Millionen-Sensation“, „verschollener Klimt“, „wiederentdecktes Klimt-Portrait“ – so lauten die Schlagzeilen über den Verkauf des äußerst eingängig als „Fräulein Lieser“ titulierten Gemäldes von Gustav Klimt in Print, Online-Presse und Fernsehen.
Neben der Provenienz des Bildes, die zwischen der Entstehung und dem jetzigen Verkauf im Zeitraum zwischen 1925 und den 1960er Jahren nicht lückenlos bestimmbar ist 1), ist auch unklar, wen genau das Gemälde der jungen Dame zeigt.
Bislang ging die Fachwelt davon aus, dass es sich um MARGARETHE CONSTANCE Lieser, Tochter des Fabrikanten Adolf Heinrich Lieser und Silvia Adolfine Steinhardt handelt, weil sie laut Klimt Werkverzeichnis von Tobias Natter Klimt 9 Mal Modell gesessen sei 2)
Doch laut mehreren Medienberichten trägt die Inventarkarte einer Ausstellung in der „Neuen Galerie“ von Otto Kallir-Nirenstein den Vermerk „“1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20“ – eine Adresse die Henriette Lieser-Landau zuzuordnen sein, der geschiedenen Frau von Julius Lieser, des Bruders von Adolf Lieser.
Wenn das Bild ihr gehöre, sei es genauso realistisch anzunehmen, dass das Bildnis eine ihrer Töchter zeige, also HELENE oder ANNA Lieser.
Aus Sicht der Ahnenforschung werden wir vielleicht keinen entscheidenden Beitrag zur Klärung dieses Rätsels leisten können.
Die genealogischen Spuren der in Frage kommenden jungen Damen lassen sich allerdings problemlos finden.
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Margarethe Constanze wurde am 21.07.1899 geboren. Ihr Taufbuch-Eintrag enthält auch einen Verweis auf die Heirat ihrer Eltern in Frankfurt, der Geburtsstadt ihrer Mutter.
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Henriette Amelie LANDAU stammte aus Wien und sie hatte Julius LIESER – wie sein Bruder Adolf gebürtig im bayerischen Fürth – 1895 in Wien geheiratet. Im Jahr darauf kam Sohn Max zur Welt, im Dezember 1898 dann die erste Tochter Helene.
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Mit einem Alter von 18 bzw. 19 Jahren kommen natürlich beide jungen Damen in Frage.
Bei Anna (oder Annie, wie im Taufbuch verzeichnet) Lieser bin ich persönlich etwas skeptisch. Sie erblickte am 12. Juni 1901 das Licht der Welt. Zum Zeitpunkt des Beginns von Klimts Werk (laut Medienberichten im Mai 1917) wäre sie daher noch nicht einmal 16 Jahre alt gewesen – also vermutlich doch noch reichlich jung. Doch das ist natürlich eine unqualifizierte Spekulation.
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Falls es sich bei Klimts Model um Helene Lieser gehandelt haben sollte so wäre dieses Bildnis nicht das einzige von ihr geblieben. Im Jahr 1920 sollte sie prominent als erste Doktorandin der staatswissenschaftlichen Fakultät an der Wiener Universität von der Österreichischen Illustrierten Zeitung ins Bild gerückt werden.
Sie hatte alle Prüfungen mit Auszeichnung absolviert, was ihr zu Zeiten der k.&k. Monarchie noch einen Abschluß „sub auspiciis imperatoris“ gesichert hätte.
Doch leider gibt kann die Qualität des Scans eines Zeitungsfotos nicht wirklich dazu beitragen, das Rätsel um das Fräulein Lieser zu lösen.
Wir dürfen gespannt sein, welcher Meinung sich die Fachwelt anschließen wird.
1) Puls 24 Online, 25.01.2024
2) Kurier Online, Georg Leyrer, 25.01.2024
Einfach erstaunlich, welche Details Michael da herausfindet. Nicht nur eine tolle Ergänzung zu den Medienberichten sondern auch ein Anreiz, genealogische Nachforschungen im eigenen Umkreis zu starten bzw. starten zu lassen. Chapeau!